Denis Andernach zeichnet Häuser. Dass sie Zeichnung bleiben, erlaubt es ihm, sie frei von Zwängen zu entwerfen. Dennoch sind sie keine Utopien, sondern typologische Untersuchungen, die erdachte Nutzungen mit elementaren Formen vereinen. Begleitet von konstruktiven Überlegungen, erscheinen alle Häuser baubar. In menschenleere Landschaften komponiert Andernach entrückte Szenerien, die seine Häuser als pure Architekturen präsentieren – gerade, weil sie Zeichnung bleiben.
«Vorab: Die Zeichnung stellt eine Momentaufnahme im Entwurfsprozess dar. Ist sie vollendet, weiß man, was man verbessern muss.»
Ornithologenhaus II
Kleine Türme stehen in loser Anordnung an einem bewaldeten Hang. Die Holzkonstruktion besteht aus vier Hölzern, welche – bei quadratischer Anordnung – in der Vertikalen addiert wurden. An der Aussenseite trägt die Holzverkleidung zur Aussteifung und Stabilisierung des Turmes bei. Innen befindet sich zum Aufstieg eine Leiter. Das Innenmass des Turmes ist auf das notwenigste Mass zum Hinaufklettern reduziert. Oben angelangt betätigt man ein Seilsystem, um die «Flügel» zu «öffnen». Hier kann man sich hinlegen – am besten zu zweit, jeder des Gleichgewichts wegen auf einer Seite. Warum dies ein Ornithologenhaus ist, denke ich, ist somit klar – wie man darauf wissenschaftlich arbeitet nicht.
Lesehaus
Gleich einer Armada von Käfern positionieren sich die Lesehäuser bei gleicher Ausrichtung auf einem Feld. In der zugehörigen Skizze ist ein Konstruktionsprinzip angedacht. Es handelt sich um Betonfertigteile, die miteinander vergossen werden. Diese altern bei Wind und Wetter. Würde man Bauteil vier und fünf (siehe Skizze) als ein Element vorfabrizieren, könnte man die anfällige Horizontalfuge auf dem Dach vermeiden. In diesen «Schutzraum» gelangt man nur von unten. Hier ist es gemütlich, obwohl man nur knapp stehen kann. Zum Lesen kommt Licht von oben und zwei Okuli stellen den reduzierten Bezug nach aussen her. Stürmischer Wind naht. Isoliert sitzt man in seiner Kapsel und liest sich weg. Bücher sind genug vorhanden, das Bücherregal auf der Rückseite der konischen Form angepasst.
Beinhaus
Ein Kunstsammler mit Affinität zum Thema Endlichkeit animierte mich, ein «Beinhaus» zu zeichnen: einen überdachten Raum zur Aufbewahrung von Gebeinen. Vorzufinden sind diese üblicherweise auf Friedhöfen. Für mich musste ich festlegen, wie ein solches Beinhaus in der Landschaft steht. Auf Pathos und konfessionelle Attribute wollte ich ganz verzichten. Meine Vorstellung: Man gelangt in den Raum, indem man durch eine seitlich in der Mittelachse angeordnete Treppe hinabsteigt und so unter das Dach gelangt. Die Dachkonstruktion besteht aus steil angeordneten Sparren, welche an der Spitze zur Firstpfette zusammenfinden. Um Tageslicht durch einen Spalt nach unten zu führen, werden die Schalung und Blechverkleidung des Daches nicht bis zum First geführt. Unten beginnt das Ossarium, welches immer tiefer und tiefer ins Erdreich führt. Oben auf der blühenden Wiese geht das Leben weiter.
Kaminhaus
Endlich eine Zeichnung, bei welcher die Form der Funktion folgt! Eine Feuerstelle ist mittig im quadratischen Raum positioniert. Darüber hängt der Kamin am Kreuzpunkt der Dachkonstruktion. Verkleidet ist dieser mit einer durch Bitumenbahnen geschützten Dachschalung. An der Traufe wird das Regenwasser mittels horizontaler Rinnen vom Haus weggeführt. Die stützenden, massiven Wände aus Beton bieten innen eine Sitzgelegenheit und geben zu drei Seiten den Blick nach aussen frei. Zum quadratischen Grundriss wäre eine vierte Öffnung an der geschlossen Wand die logische Konsequenz gewesen. Beim Zeichnen dachte ich darüber nach - zu spät, bei Tusche gibt es kein zurück! Im Wald kann das Holz gesammelt und zum Trocknen in die Wand eingelegt werden. Das Haus dient also nur einem Zweck: Dem Sitzen am Feuer. Jede weitere Funktion bedingt eine Änderung der Form.
Dachhaus IV
Wieder ein Dachhaus: Formal ist die Verwandtschaft zum Kaminhaus zu erkennen. Von Bäumen umgeben, steht das Haus in einer Lichtung. Der Sockel ist aus Beton, verjüngt sich, gleich einem Schiffsrumpf, zum Waldboden. Über die kleine seitlich befestigte Leiter gelangt man an «Deck». Hier steht man auf einer offenen Fläche zwischen der Konstruktion aus Holz und kann den Wald betrachten. Der direkt umgebende Baumbestand ist jung, dessen Stämme weisen eine ähnliche Dimensionierung wie die verwendeten Holzstützen auf. Zwischen Stützen und Stämmen fühlt man sich dem Wald zugehörig. Diagonalstäbe dienen der Aussteifung in beide horizontale Richtungen. Das Dach ist dieses Mal durch ein Blech mit enger Scharenlage verkleidet. An der Traufe fehlt die Rinne, lediglich eine Tropfkante aus Blech schützt die darunter liegende Konstruktion. Über eine Treppe gelangt man zum Schlafen in den geschlossenen schützenden Dachraum. Ein Oberlicht bildet den oberen horizontalen Abschluss. Es gibt keine seitlichen Öffnungen – somit wird man vor dem Schlafen nur den Himmel sehen.
Noah's Haus
Ein Schiffrumpf, ein Lagerhaus, ein Satteldach – so wird meist die Arche Noah dargestellt. Mein gezeichnetes Haus folgt dem gleichen Prinzip: Der Sockel ist aus Beton und suggeriert durch seine Form den Schiffsrumpf. Über einen Steg gelangt man in das Lager, welches aus einer mehrgeschossigen Holzkonstruktion mit Platz für alles besteht. Darüber das grosse Satteldach. Die Auskragung wird durch eine Zangenkonstruktion ermöglicht. Darunter befindet sich ein grosser lichter Raum mit einer grossen Tafel und Stühlen. Hier trifft die Familie mit den nächsten zusammen - aber Sie wird nicht auf Reisen gehen, ein Haus kann nicht schwimmen.
Feldhaus
Die nähere Umgebung des Hauses wird durch landwirtschaftliche Nutzflächen geprägt. Die Feldwege zwischen ihnen dienen zur Bewirtschaftung dieser und haben meist nur eine Breite von drei Metern. Dieses Mass gibt Anlass für eine – aus meiner Sicht – schmale und schöne Proportion. Das gezeichnete Haus wurde auf solch einem Weg platziert, die Symmetrie der Form resultiert aus der möglichen Zugänglichkeit von beiden Seiten. Das Haus ist verputzt und besitzt nur wenig Öffnungen. Mittig teilt ein Patio das Dach in zwei Hälften. Hier kann man im Aussenraum sitzen und ist vom Staub des Feldes geschützt. Die Furchen des Spargels stehen orthogonal zum Weg und zeichnen mit ihrem Schattenwurf den Lichtverlauf des Abendlichtes nach.
Bootshaus
Dieses Haus ist mehr Geste oder Orientierungspunkt denn Behausung: Der Schiffsrumpf aus Beton scheint in See zu stechen. Ein Gestänge aus Holzlatten wurde seitlich an diesem befestigt. In zwei Lagen schichtet sich die filigrane Holzkonstruktion auf und weitet sich nach oben zu einem V-Dach, welches an den kurzen Seiten das Wasser abführt. Bei weitergehender Beschäftigung mit dieser Konstruktion müsste man die oberen Hölzer in Längsrichtung besser durch aussteifende Elemente stabilisieren. Die Nutzung stelle ich mir wie folgt vor: Eine Leiter führt hinauf und ermöglicht das Liegen auf erhöhter Ebene in einer weiten Landschaft. Als Schutz vor Wind, Regen und Sonne funktioniert das Haus nicht, jedoch ist dies für diesen Moment egal.
Stelzenhaus
Das Stelzenhaus besteht aus einer Vielzahl von Stützen, in welche vier horizontale mit Brettern verschalte Ebenen eingehängt werden. Unten dienen die diagionalen Stäbe der Stabilität. Der obere Teil der Holzkonstruktion wird in jeder Ebene mittels Zugseilsystem ausgesteift. Hier sind die horizontalen Koppelstäbe aussenseitig angeordnet, damit die Bretterschalung auf einer durchgängigen Ebene fixiert werden kann. Die Schuppenartige Anmutung der Fassade entsteht aus dem Wunsch, das Hirnholz der Bretterschalung durch die Überdeckung der Schicht darüber zu schützen. Eine Treppe führt am einem Ende nach oben, die übrige Etagenfläche kann als vorübergehendes Refugium genutzt werden. Durch das Weglassen von Teilen der Schalung entstehen Öffnungen. Die innere Organisation und Struktur wird ablesbar, jedoch schwächen diese gleichzeitig den Schutz.
Panoramahaus
Die Primäre Struktur scheint aus Stahl, welche mit Holzelementen ausgefacht ist. Über eine vorgestellte Betontreppe gelangt man in den Wohnraum, der innenräumlich durch das steile Dach geprägt wird. Die Ausrichtung der Öffnungen geht Richtung Lichtung, die Rückseite zum Wald bleibt verschlossen. Die Fenster werden durch die Vordächer geschützt. Im hinteren Bereich wird in zwei Obergeschossen der Erker an den Giebel geschoben. Hier sind die kleinen Rückzugsräume, welche durch eine Wendeltreppe erschlossen werden. Dieses Haus ist eines der wenigen, bei dem tatsächlich die Bewohnbarkeit suggeriert wird.
Giebelhaus
Das Prinzip der Addition kommt im Gebauten aus gutem Grunde immer wieder zur Anwendung. Gleich den Bäumen im Vordergrund, addieren sich auf einem Sockel aus Beton drei Häuser mit Satteldächern. Geschossweise «gewinnen» diese an Höhe und bilden im Gesamten eine Form, welche ein «Vorne und Hinten» besitzt. Getrennt werden die Häuser im Bereich der Giebel durch die zur Entwässerung notwendigen Fallleitungen. Über die innere Struktur trifft die Zeichnung keine Aussage. Es ging mir in der Hauptsache um die Darstellung einer Form, welche sich aus wiederholenden Details generiert.
Treppenhaus
Eigentlich hätte der Titel der Zeichnung nicht Treppenhaus sein dürfen. Kein Dach, kein Schutz, kein Raum – gar nichts was ein Haus auszeichnet. Gezeichnet wurden vielmehr drei Treppen aus verschweisstem Stahl, deren Austritte oben zusammentreffen. Die Treppenläufe stabilisieren sich gegenseitig und erzeugen ein brückenähnliches Konstrukt. Zuerst hatte ich die Treppe für mich so konstruiert, dass die oberste Plattform ein gleichschenkeliges Dreieck bildet. Dies schien mir zunächst konstruktiv richtig und konsequent. Die Gleichförmigkeit hatte ein Problem: Es entstanden die Aussenmasse einer dreiseitigen Pyramide, was mich zudem langeweilte. Daher besitzt eine der Austritte eine Verlängerung, um mit dieser Form zu brechen. Im Hintergrund steht ein weiteres Treppenhaus. Ich musste immer wieder an die «Folies» im Pariser Park de La Villette denken. Hier stehen viele schöne «nutzlose» Dinge.
Andernach's Häuser
Denis Andernach zeichnet Häuser. Dass sie Zeichnung bleiben, erlaubt es ihm, sie frei von Zwängen zu entwerfen. Dennoch sind sie keine Utopien, sondern typologische Untersuchungen, die erdachte Nutzungen mit elementaren Formen vereinen. Begleitet von konstruktiven Überlegungen, erscheinen alle Häuser baubar. In menschenleere Landschaften komponiert Andernach entrückte Szenerien, die seine Häuser als pure Architekturen präsentieren – gerade, weil sie Zeichnung bleiben.

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